28. September 2020

«Trau, schau, wem»

Daniel Stoll

Haben Sie ein erfolgrei­ches Berufsleben hinter sich? Verfügen Sie über Immobilienbesitz? In diesem Fall dürfte Sie die Frage beschäftigen, was mit Ihren Immobilien passiert, falls Sie Ihre Urteilsfähigkeit verlieren. Leider ist es ein Fakt, dass mit steigender Lebenserwar­tung auch das Risiko steigt, an Demenz zu erkranken und dabei die Urteilsfähigkeit zu verlieren. Aber nicht nur das Alter, auch Un­fälle und psychische Erkrankungen können uns unsere Urteilsfähigkeit rauben.

Geeignetes Risikomanagement

Mit dem Verlust der Urteilsfähigkeit geht die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit ver­loren. Die betroffene Person kann keine Ver­träge mehr schliessen oder auflösen. Um sol­che Situationen vorausschauend in den Griff zu bekommen, wurde im Jahre 2013 mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht der Vorsorgeauftrag geschaffen. Er gehört heu­te zusammen mit Testament, Eheverträgen und der Patientenverfügung zum Arsenal des persönlichen und finanziellen Risiko­managements. Mit dem Vorsorgeauftrag be­stimmen wir darüber, wer uns im Falle un­serer Urteilsunfähigkeit persönlich betreut und sich um die Verwaltung unseres Ver­mögens kümmert sowie Rechtsgeschäfte und den Verkehr mit Ämtern besorgt.

Vorsorgeaufträge sind analog zu Testa­menten entweder vollständig von Hand zu verfassen oder von einem Notar öffentlich zu beurkunden. Mit Eintritt der Urteilsunfähig­keit gelangen in der Regel die nahestehenden Personen an die zuständige Kesb (Kindes­ und Erwachsenenschutzbehörde), welche den Vorsorgeauftrag in Kraft setzt. Die Kesb überzeugt sich davon, dass die dazu notwen­digen Voraussetzungen erfüllt sind. Geprüft wird, ob der Vorsorgeauftrag formgültig er­stellt wurde und die Urteilsunfähigkeit tat­sächlich vorliegt. Auch die Eignung der mit der Vorsorge beauftragten Person wird ge­prüft. Sind die Voraussetzungen erfüllt, er­hält der oder die Vorsorgebeauftragte von der Behörde eine Urkunde, worin die ihr mit dem Vorsorgeauftrag erteilten Kompetenzen und Vollmachten ausgewiesen sind. Die Urkunde dient als Legitimationsausweis gegenüber Ämtern und privaten Stellen wie beispielsweise auch Banken.

Lösungen für Liegenschaften

Die Älteren gehören statistisch gesehen zur wohlhabendsten Bevölkerungsgruppe. Oft ist jedoch ein erheblicher Teil des Vermögens in Liegenschaften gebunden. Vorsorgebeauf­tragte dürfen Immobilien nur veräussern, wenn der Vorsorgeauftrag dies explizit vor­sieht. Daher sollte der Vorsorgeauftrag auch die Verwaltung und Veräusserung von Lie­genschaften regeln. Die Belastung einer Lie­genschaft mit einer Hypothek kommt einer Veräusserung gleich. Für die Ausgestaltung des Vorsorgeauftrags macht es einen Unter­schied, ob es um selbst bewohnten oder um Einkommen generierenden Immobilienbe­sitz geht. Der konkrete Fall ist sorgfältig zu prüfen. Die Lösung sollte massgeschneidert sein, sodass der Vorsorgebeauftragte die im spezifischen Fall erforderlichen Liegen­schaftsgeschäfte vornehmen kann.

Sollen auch Verheiratete einen Vorsorge­auftrag erteilen? Das empfiehlt sich von Fall zu Fall. Zwar sind Ehepartner grundsätzlich berechtigt, ihren Gatten gesetzlich zu vertre­ten. Ein Vorsorgeauftrag ermöglicht jedoch eine ganz spezifische Ausgestaltung der Ver­tretungsbefugnisse und kann daher auch wei­tergehen als die gesetzliche Vertretung. Mit einem Vorsorgeauftrag lassen sich allfällige Zweifel über die Zulässigkeit von Geschäften zum Vornherein ausräumen.

Sorgfältige Auswahl

Vorsorgebeauftragte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit mit aller Sorgfalt auszuüben, und sind über ihre Tätigkeit rechenschaftspflich­tig. Der Vorsorgeauftraggeber selbst wird die Amtsführung allerdings kaum je prüfen kön­nen. Es versteht sich daher von selbst, dass mit der Vorsorge Personen beauftragt wer­den sollen, die das nötige Wissen aufweisen, aber auch das grosse, mit dem Vorsorgeauf­trag verbundene Vertrauen verdienen. Auch hier gilt der Klassiker unter den Rechts­sprichwörtern: «Trau, schau, wem.»

 

Dr. Daniel Stoll ist Rechtsanwalt und Senior Partner bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com  Er berät und prozessiert u. a. in den Bereichen Nachlassplanung und Unternehmensnachfolge,

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der Oktober-Ausgabe 2020 der Zeitschrift „Das Ideale Heim“ publiziert

 

2020-10-Ausgabe-Nr.-10-Oktober-2020-DCS-Trau-Schau-Wem.pdf (pdf 330 kB)