«Trau, schau, wem»
Haben Sie ein erfolgreiches Berufsleben hinter sich? Verfügen Sie über Immobilienbesitz? In diesem Fall dürfte Sie die Frage beschäftigen, was mit Ihren Immobilien passiert, falls Sie Ihre Urteilsfähigkeit verlieren. Leider ist es ein Fakt, dass mit steigender Lebenserwartung auch das Risiko steigt, an Demenz zu erkranken und dabei die Urteilsfähigkeit zu verlieren. Aber nicht nur das Alter, auch Unfälle und psychische Erkrankungen können uns unsere Urteilsfähigkeit rauben.
Geeignetes Risikomanagement
Mit dem Verlust der Urteilsfähigkeit geht die zivilrechtliche Handlungsfähigkeit verloren. Die betroffene Person kann keine Verträge mehr schliessen oder auflösen. Um solche Situationen vorausschauend in den Griff zu bekommen, wurde im Jahre 2013 mit dem neuen Erwachsenenschutzrecht der Vorsorgeauftrag geschaffen. Er gehört heute zusammen mit Testament, Eheverträgen und der Patientenverfügung zum Arsenal des persönlichen und finanziellen Risikomanagements. Mit dem Vorsorgeauftrag bestimmen wir darüber, wer uns im Falle unserer Urteilsunfähigkeit persönlich betreut und sich um die Verwaltung unseres Vermögens kümmert sowie Rechtsgeschäfte und den Verkehr mit Ämtern besorgt.
Vorsorgeaufträge sind analog zu Testamenten entweder vollständig von Hand zu verfassen oder von einem Notar öffentlich zu beurkunden. Mit Eintritt der Urteilsunfähigkeit gelangen in der Regel die nahestehenden Personen an die zuständige Kesb (Kindes und Erwachsenenschutzbehörde), welche den Vorsorgeauftrag in Kraft setzt. Die Kesb überzeugt sich davon, dass die dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind. Geprüft wird, ob der Vorsorgeauftrag formgültig erstellt wurde und die Urteilsunfähigkeit tatsächlich vorliegt. Auch die Eignung der mit der Vorsorge beauftragten Person wird geprüft. Sind die Voraussetzungen erfüllt, erhält der oder die Vorsorgebeauftragte von der Behörde eine Urkunde, worin die ihr mit dem Vorsorgeauftrag erteilten Kompetenzen und Vollmachten ausgewiesen sind. Die Urkunde dient als Legitimationsausweis gegenüber Ämtern und privaten Stellen wie beispielsweise auch Banken.
Lösungen für Liegenschaften
Die Älteren gehören statistisch gesehen zur wohlhabendsten Bevölkerungsgruppe. Oft ist jedoch ein erheblicher Teil des Vermögens in Liegenschaften gebunden. Vorsorgebeauftragte dürfen Immobilien nur veräussern, wenn der Vorsorgeauftrag dies explizit vorsieht. Daher sollte der Vorsorgeauftrag auch die Verwaltung und Veräusserung von Liegenschaften regeln. Die Belastung einer Liegenschaft mit einer Hypothek kommt einer Veräusserung gleich. Für die Ausgestaltung des Vorsorgeauftrags macht es einen Unterschied, ob es um selbst bewohnten oder um Einkommen generierenden Immobilienbesitz geht. Der konkrete Fall ist sorgfältig zu prüfen. Die Lösung sollte massgeschneidert sein, sodass der Vorsorgebeauftragte die im spezifischen Fall erforderlichen Liegenschaftsgeschäfte vornehmen kann.
Sollen auch Verheiratete einen Vorsorgeauftrag erteilen? Das empfiehlt sich von Fall zu Fall. Zwar sind Ehepartner grundsätzlich berechtigt, ihren Gatten gesetzlich zu vertreten. Ein Vorsorgeauftrag ermöglicht jedoch eine ganz spezifische Ausgestaltung der Vertretungsbefugnisse und kann daher auch weitergehen als die gesetzliche Vertretung. Mit einem Vorsorgeauftrag lassen sich allfällige Zweifel über die Zulässigkeit von Geschäften zum Vornherein ausräumen.
Sorgfältige Auswahl
Vorsorgebeauftragte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit mit aller Sorgfalt auszuüben, und sind über ihre Tätigkeit rechenschaftspflichtig. Der Vorsorgeauftraggeber selbst wird die Amtsführung allerdings kaum je prüfen können. Es versteht sich daher von selbst, dass mit der Vorsorge Personen beauftragt werden sollen, die das nötige Wissen aufweisen, aber auch das grosse, mit dem Vorsorgeauftrag verbundene Vertrauen verdienen. Auch hier gilt der Klassiker unter den Rechtssprichwörtern: «Trau, schau, wem.»
Dr. Daniel Stoll ist Rechtsanwalt und Senior Partner bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com Er berät und prozessiert u. a. in den Bereichen Nachlassplanung und Unternehmensnachfolge,
Hinweis: Dieser Artikel wurde in der Oktober-Ausgabe 2020 der Zeitschrift “Das Ideale Heim” publiziert
2020-10-Ausgabe-Nr.-10-Oktober-2020-DCS-Trau-Schau-Wem.pdf (pdf 330 KB)