1. Februar 2023

Vertriebsrecht Newsletter Switzerland «Lex Booking» – der neue Art. 8a UWG als erste AGB-Inhaltskontrolle im B2B-Bereich

Patrick RohnRaphael F. MeierKevin Baggenstos
1. Paritätsklauseln in den AGB von Online-Buchungsplattformen

Die Verträge zwischen Beherbergungsbetrieben und Online-Buchungsplattformen wie Booking.com und Expedia sind meistens durch allgemeine Geschäftsbedingungen („AGB“) ergänzt. Diese AGB beinhalten in der Regel so genannte Paritätsklauseln, welche die Beherbergungsbetriebe in der Gestaltung ihrer Angebote einschränken. Paritätsklauseln können sich insbesondere auf den Preis, die Verfügbarkeit und die Konditionen beziehen.

Bei Preisparitätsklauseln wird zwischen verschiedenen Formen unterschieden. Mit sogenannten weiten Preisparitätsklauseln werden die Beherbergungsbetriebe dazu verpflichtet, die besten Preise ausschliesslich auf der Buchungsplattform anzubieten. Bei solchen Klauseln ist es den Beherbergungsbetrieben untersagt, Zimmer bzw. Unterkünfte auf anderen Vertriebskanälen zu einem tieferen Preis zu offerieren. Auch per Telefon oder an spontane „walk-in“-Kunden dürfen die Preise auf der Buchungsplattform nicht unterschritten werden.

Sogenannte enge Preisparitätsklauseln gehen weniger weit – sie untersagen es den Beherbergungsbetrieben einzig, auf der eigenen Webseite tiefere Preise als auf der Buchungsplattform anzubieten.

Verfügbarkeitsparitätsklauseln beziehen sich darauf, inwieweit sich die Art und die Anzahl der auf anderen Kanälen angebotenen Zimmer vom Angebot auf der Buchungsplattform unterscheiden dürfen.

Konditionsparitätsklauseln beziehen sich auf die Gleichheit des Angebots in Bezug auf weitere Konditionen, wie beispielswiese Stornierungsbedingungen oder inbegriffene Zusatzleistungen wie Frühstück, WLAN oder Rabattgewährung für örtliche Verkehrsmittel.

Um die Einhaltung von Paritätsklauseln indirekt durchzusetzen, wurden Beherbergungsbetriebe, welche sich nicht an die Paritätsklauseln hielten, zuweilen von Buchungsplattformen sanktioniert. Dies geschah beispielsweise indem Zimmer temporär nicht vermittelt wurden oder der betreffende Beherbergungsbetrieb im Ranking der Plattform abstieg.

2. Die Entstehungsgeschichte von Art. 8a UWG

Im April 2011 beschwerte sich ein Hotelier beim Sekretariat der Wettbewerbskommission („WEKO“) über die Geschäftspraktiken von Online-Buchungsplattformen, insbesondere über die Preisparitätsklauseln in den AGB. Zwei Monate später wandte sich auch der schweizerische Branchenverband für Hotels, HotellerieSuisse, bezüglich derselben Klauseln an die WEKO.

Die WEKO leitete daraufhin im Dezember 2012 eine Untersuchung gegen die drei Buchungsplattformen Booking.com, Expedia und HRS ein. Mit Entscheid vom 19. Oktober 2015 beurteilte die WEKO die Verwendung von weiten Preisparitätsklauseln als kartellrechtswidrig, wohingegen sie die Beurteilung von engen Paritätsklauseln offen liess.

Am 30. September 2016 reichte Ständerat Pirmin Bischof die Motion „Verbot von Knebelverträgen der Online-Buchungsplattformen gegen die Hotellerie“ ein, die auch „Lex Booking“ genannt wird. Mit dieser Motion beantragte er die Prüfung einer Gesetzesänderung zum Verbot von Preisparitätsklauseln zwischen Buchungsplattformen und Beherbergungsbetrieben.

Nachdem der National- und Ständerat den Bundesrat zur Annahme der Motion und deren Ausweitung auf Verfügbarkeits- und Konditionenparitätsklauseln verpflichtet hatten, legte dieser schliesslich den angepassten Entwurf vor, der am 17. Juni 2022 von beiden Räten angenommen wurde. Die neue Bestimmung trat daraufhin am 1. Dezember 2022 in Kraft.

3. Der neue Art. 8a UWG

Der neue Art. 8a UWG hat folgenden Wortlaut:

Art. 8a UWG

Verwendung von Paritätsklauseln gegenüber Beherbergungsbetrieben

Unlauter handelt insbesondere, wer als Betreiber einer Online-Plattform zur Buchung von Beherbergungsdienstleistungen allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, welche die Preis- und Angebotssetzung von Beherbergungsbetrieben durch Paritätsklauseln, namentlich bezüglich Preis, Verfügbarkeit oder Konditionen, direkt oder indirekt einschränken.“

In geographischer Hinsicht gelangt die Bestimmung stets zur Anwendung, wenn der schweizerische Markt betroffen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die Beherbergungsbetriebe in der Schweiz befinden.

Die Bestimmung ist sodann auf Paritätsklauseln in AGB beschränkt. Auf Paritätsklauseln in Individualvereinbarungen (Einzelverträge) kommt Art. 8a UWG nicht zur Anwendung.

Geschützt sind sämtliche „Beherbergungsbetriebe“. Darunter fallen nicht nur die klassischen Hotelbetriebe, sondern bspw. auch Anbieter von Ferienwohnungen, Appartements und Jugendherbergen.

Wie dem Wortlaut der Bestimmung zu entnehmen ist, umfasst diese nicht nur Preisparitätsklauseln, sondern explizit auch Verfügbarkeits- oder Konditionsparitätsklauseln – sowohl indirekt als auch direkt.

Beherbergungsbetriebe geniessen den Schutz vor Paritätsklauseln, weil solche als unlauter (d.h. unfair) beurteilt werden. Zwischen den Plattformbetreibern und Beherbergungsbetrieben besteht ein Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten und die Beherbergungsbetriebe werden in der Ausgestaltung ihres Angebots ungebührlich eingeschränkt.

4. Die Rechtsfolgen einer Verletzung von Art. 8a UWG

Art. 8a UWG ist eine zivilrechtliche Bestimmung. Entsprechend hat ein Verstoss gegen Art. 8a UWG einzig zivilrechtliche Folgen, die Strafbestimmungen des UWG kommen hingegen nicht zur Anwendung.

Die zivilrechtliche Folge einer Verletzung von Art. 8a UWG ist, dass die fragliche AGB-Klausel gemäss Art. 20 OR wegen Widerrechtlichkeit nichtig (also unwirksam) ist. AGB-Klauseln, die gegen Art. 8a UWG verstossen, sind somit in der Schweiz nicht direkt durchsetzbar.

Enthalten die AGB eine Rechtswahl zugunsten eines nicht-schweizerischen Rechts, kommt grundsätzlich das gewählte ausländische Recht zur Anwendung. Eine Ausnahme gilt jedoch insofern, als das gewählte ausländische Recht zur Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit von Paritätsklauseln führt. In diesem Umfang ist das ausländische Recht nicht zu beachten und der Paritätsklausel ist die Anwendung zu verwehren (Art. 17 und 18 IPRG).

5. Die Rechtsbehelfe bei einer Verletzung von Art. 8a UWG

Versucht eine Plattformbetreiberin, eine Paritätsklausel direkt durchzusetzen (was bis anhin soweit ersichtlich noch nie geschehen ist), kann sich der Beherbergungsbetrieb auf die Nichtigkeit der fraglichen AGB‑Klausel berufen.

Setzt eine Plattformbetreiberin eine Paritätsklausel hingegen indirekt mittels Sanktionen durch, muss der betroffene Beherbergungsbetrieb sich aktiv wehren. Dafür stehen ihm die Rechtsbehelfe gemäss Art. 9 UWG zur Verfügung, gemäss denen er folgendes verlangen kann:

  • Verbot einer drohenden Verletzung (Unterlassungsklage);
  • Beseitigung einer bestehenden Verletzung (Beseitigungsklage);
  • Feststellung der Widerrechtlichkeit, falls sich diese weiterhin störend auswirkt (Feststellungsklage);
  • Bezahlung von Schadenersatz (Schadenersatzklage).

Sind nicht leicht wiedergutzumachende Nachteile zu befürchten, kann eine Unterlassung mittels vorsorglicher Massnahmen beantragt werden, welche eine indirekte Durchsetzung (Sanktion) bis zur definitiven Entscheidung verbieten.

Klageberechtigt sind nebst den Beherbergungsbetrieben auch Mitbewerber, Lieferanten oder Abnehmer (Kunden), die durch unlautere Paritätsklauseln in ihren wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt werden. Zudem sind auch Berufs- und Wirtschaftsverbände, wie bspw. HotellerieSuisse, zur Klage berechtigt.

6. Inhaltskontrolle zwischen Geschäftsleuten als Novum im Schweizer Recht

Bereits seit einiger Zeit kennt das Schweizer Recht mit Art. 8 UWG eine AGB-Inhaltskontrolle für Konsumentinnen und Konsumenten. Hingegen gab es für Kaufleute bis anhin keine AGB-Inhaltskontrolle.

Dies hat sich mit Art. 8a UWG geändert. Erstmals gibt es nun eine gesetzliche Inhaltskontrolle von AGB zwischen Kaufleuten, also im B2B-Bereich. Allerdings ist diese Inhaltskontrolle auf eine Branche und auf bestimmte Situationen beschränkt.

In der Vernehmlassung wurde zwar gefordert, dass das Verbot von Paritätsklauseln für alle Sektoren zu gelten habe, nicht bloss für Beherbergungsbetriebe. Dies wurde jedoch abgelehnt, unter anderem weil unklar sei, ob es auch in anderen Branchen problematische Paritätsklauseln gäbe.

Somit bleibt die erste B2B-Inhaltskontrolle von AGB in der Schweiz auf eine einzige Branche beschränkt. Dennoch ist die Einführung von Art. 8a UWG ein erster Schritt in Richtung Inhaltskontrolle von AGB unter Geschäftsleuten. Mit diesem ersten Schritt bewegt sich die Schweiz auf das angrenzende Ausland zu, das in einigen Fällen (z.B. Deutschland, Österreich) eine allgemeine Inhaltskontrolle von AGB kennt. Sofern es jedoch bei diesem einen Schritt bleibt, ist das Schweizer Vertragsrecht nach wie vor liberaler als das Vertragsrecht in den angrenzenden Staaten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


2023-01-31-Thouvenin-Newsletter-Art_-8a-UWG-DE.pdf (pdf 161 kB)