29. März 2021

«Stockwerkeigentum»

Wer sich den Traum vom Eigenheim verwirkli­chen will, begegnet auch dem Stockwerkeigentum. Dieses bietet die Möglichkeit, eine einzel­ne Wohnung in einem Mehrfamilienhaus zu Eigentum zu erwerben. Stockwerkeigentum ist beliebt und prägt die Wohnsituation unzähliger Personen in der Schweiz. Neben vielen Vorteilen birgt Stockwerkeigentum aber auch ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotenzial und Fesseln. Wer sich vor dem Kauf ein paar Gedanken macht, wird später nicht unliebsam überrascht.

Mein Eigentum, euer Eigentum

Im Zentrum von Konflikten steht oft die Frage, wem was gehört und wer womit was machen darf. Im Stockwerkeigentum gehört grundsätzlich nur die Innenseite der Woh­nung wirklich einem selbst. Die Aussensei­ten des Gebäudes sowie die gemeinschaftlich genutzten Teile sind gemeinschaftliches Eigentum der Stockwerkeigentümer. Für eine aussen installierte TV-Satellitenschüssel ist deshalb die Zustimmung der Stockwerkeigentümergemeinschaft nötig. Ebenso für eine Ladestation in der gemeinschaftlich genutzten Tiefgarage. Diskussionen oder gar Konflikte sind so programmiert.

Nebst der Begründungsurkunde ist das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft ein zentrales Dokument. Die­ses gibt meist näher Aufschluss über die Zuweisung von Gebäudeteilen zu alleinigem oder gemeinschaftlichem Eigentum sowie über die Nutzungsmöglichkeiten von ge­meinschaftlichen Teilen. Vor dem Kauf von Stockwerkeigentum sollte unbedingt Ein­sicht in dieses Reglement sowie die Begrün­dungsurkunde und die Hausordnung ge­nommen werden. Da gewisse Vorhaben vom Goodwill der Nachbarn abhängen, empfiehlt es sich auch, im Vorfeld eines Kaufs das Kli­ma unter den (künftigen) Nachbarn zu son­dieren. Aufschluss geben hierüber kann die Häufigkeit von Eigentümerwechseln. Es lohnt sich zudem, sich mit bestehenden Ei­gentümern zu unterhalten. Auch die Einsicht in Protokolle der Stockwerkeigentümerver-sammlungen kann sehr aufschlussreich sein und ein Stimmungsbild vermitteln, worüber und wie jeweils debattiert wird.

Nach dem Kauf ist vor der Renovation

Auch Stockwerkeigentum altert. Während beim eigenen Haus dem Alterungsprozess nach Belieben entgegengewirkt werden kann, gestaltet sich dies bei einer Liegenschaft im Stockwerkeigentum schwieriger. Eine Renovation innerhalb der eigenen vier Wän­de ist zwar bei Stockwerkeigentum nach eigenem Gutdünken möglich. Die Renovati­on der grundlegenden Bausubstanz, wie tra­gende Wände, das Dach, die Aussenfassade oder die Heizungsanlage, die ebenfalls dem Zahn der Zeit ausgesetzt sind, ist jedoch nur mit Zustimmung der Stockwerkeigentümergemeinschaft möglich.

Renovationen werden bisweilen auf­grund unterschiedlicher ästhetischer Vorstel­lungen blockiert. Häufig scheitert eine Reno­vation auch, weil die nötigen Finanzmittel fehlen. Ein gutes Stockwerkeigentümerreglement sieht regelmässig die Äufnung eines Erneuerungsfonds vor. In der Praxis wird dies aber öfters nicht umgesetzt, oder der Fonds ist hoffnungslos unterdotiert. Kann die Eigentümergemeinschaft die substanziel­len Kosten einer Renovation nicht auf einen Schlag aufbringen, wird häufig in Etappen renoviert, was die Kosten in die Höhe treibt. Vor dem Kauf sollte der Stand des Fonds und der bereits bezahlte Anteil der betreffenden Stockwerkeigentumseinheit abgeklärt sowie der Renovationsbedarf von einem Experten abgeschätzt werden. Wer Einsicht in die Jah­resrechnungen nimmt, erkennt Rückstände in Zahlungspflichten. Geprüft werden sollte auch, ob der Fonds nur für Renovationen und nicht zur Deckung von laufendem Unterhalt verwendet wurde. Wer weiss, worauf er sich einlässt, kalkuliert richtig.

 

Marzel Wyden ist Rechtsanwalt bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com . Er ist auf Gesellschaftsrecht
sowie Mergers & Acquisitions spezialisiert und berät auch im Immobilienrecht.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der April-Ausgabe 2021 der Zeitschrift „Das Ideale Heim“ publiziert.

 

2021-04-Ausgabe-Nr.-4-April-Marzel-Wyden-Stockwerkeigentum.pdf (pdf 90 kB)