21. Dezember 2020

«Risiken bei Immobilienerwerb»

Rolf Schuler

Den Vertrag mit dem Generalunter­nehmer (GU) haben Sie und Ihr Ehe­partner als künftige stolze Immobi­lienbesitzer unterzeichnet. Der Innenausbau, die sanitarischen Installatio­nen sowie die Küchengeräte sind ausgesucht, und – gemäss Vertrag mit dem GU – haben Sie die Anzahlung in der Höhe von 80 Prozent des Gesamtkaufpreises an den GU geleistet. Fast täglich gehen Sie vor oder nach der Arbeit in Vorfreude auf der Baustelle vorbei und sind über den stetigen Baufortschritt entzückt.

Überraschung 1:

Doch plötzlich scheint gar nichts mehr zu gehen; keine Arbeiter auf der Baustelle, Ma­terial, Werkzeuge und Maschinen sind nicht mehr in Gebrauch oder gar nicht mehr vor Ort. Auf telefonische Nachfrage im Büro des GU werden Sie über Tage hinweg mit Aus­reden, wonach es sich lediglich um Liefer­schwierigkeiten handle, vertröstet. Nach einer Woche erreichen Sie telefonisch gar niemanden mehr und das Büro des GU ist verwaist. Sie erfahren über Umwege, dass über den GU der Konkurs eröffnet wurde und er seine Geschäftstätigkeit per sofort einstellen musste.

Überraschung 2:

Richtig unangenehm wird es für Sie aber erst jetzt. Zahlreiche auf Ihrer Baustelle beschäf­tigte Unternehmen fordern Sie direkt zur Zahlung offener Rechnungen auf und drohen Ihnen bei Nichtbezahlung mit der Eintragung eines sogenannten Bauhandwerkerpfandrech­tes auf Ihrem Grundstück. Obwohl Sie dem GU vertragsgemäss eine bereits erhebliche Summe als Akontozahlung zukommen lies­sen, sind Sie nun mit der Situation konfron­tiert, dass Sie Leistungen bzw. Arbeiten an Ihrer Liegenschaft noch einmal – eben dop­pelt – zu bezahlen haben. Selbstverständlich haben Sie eine Forderung gegenüber dem konkursiten GU auf Rückerstattung des dop­pelt bezahlten Akontobetrages. Die Realität zeigt aber, dass im Falle eines Konkurses die Gläubiger oft leer ausgehen.

Was ist geschehen?:

Der GU hat diverse Aufträge an Unterakkor­danten vergeben, welche die Arbeiten an Ih­rer Liegenschaft ausführten. Gemäss Vertrag mit dem GU sollte er die von Ihnen geleisteten Anzahlungen zur Begleichung eben dieser Unterakkordanten verwenden. Offensicht­lich – und das sieht man in der Praxis immer wieder – hat der GU die Unterakkordanten (noch) nicht oder lediglich zu einem Teil be­zahlt, bevor über ihn der Konkurs eröffnet wur­de. Obwohl Sie als Bauherren keine Verträge mit den Unterakkordanten abgeschlossen ha­ben, steht den durch den GU beauftragten Un­terakkordanten ein gesetzliches Pfandrecht an der Liegenschaft gegen Sie als Bauherren zu.

Ist dies einfach so hinzunehmen?:

Selbstverständlich nicht! Hierzu müssen je­doch bereits im Rahmen der vertraglichen Ausgestaltung zwischen Ihnen als Bauherren und dem GU die notwendigen vertraglichen Vorkehrungen getroffen werden. In der Pra­xis gibt es zahlreiche Gestaltungsmöglichkei­ten. So zum Beispiel die Stellung einer Bank­garantie durch den GU zur Deckung seines Insolvenzrisikos oder über Direktzahlungen von Ihnen als Bauherren an die vom GU be­auftragten Unterakkordanten bis hin zur Ein­richtung eines Treuhandkontos, über das nur Sie gemeinsam mit dem GU die gemäss Bau­fortschritt notwendigen Zahlungen auslösen können. Diese vertraglichen Massnahmen dienen einzig dazu, das beschriebene Risiko einer drohenden Doppelzahlung im Falle des Konkurses über den GU zu vermeiden.

Sprechen Sie diese Thematik VOR der Un­terschrift unter einen GU­Vertrag an. Die Er­fahrung zeigt: Sollte sich der GU gegen solche oder ähnliche Schutzmassnahmen sträuben, ist erhebliche Vorsicht angebracht. Die er­wünschte Traumliegenschaft kann ansonsten «über Nacht» zum Albtraum werden.

 

Rolf Schuler, Lic. iur. ist Partner bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com . Er ist auf die Führung von Zivilprozessen des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts sowie des Wirtschaftsstrafrechts spezialisiert.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der Januar/Februar-Ausgabe 2021 der Zeitschrift „Umbauen+Renovieren“ publiziert

 

2021-01-Ausgabe-Nr.-1-Januar-Februar-2021-Rolf-Schuler.pdf (pdf 126 kB)