21. Januar 2022

Private Clients Newsletter – Ehe für alle

Sandra Spirig

An der Volksabstimmung vom 26. September 2021 wurde die „Ehe für alle“ mit einer klaren Mehrheit der Stimmberechtigten und von allen Kantonen angenommen. Mit diesem Volksentscheid treten am 1. Juli 2022 zahlreiche neue Gesetzesbestimmungen in Kraft. Gleichgeschlechtliche Paare haben neu die folgenden Möglichkeiten:

1. Gleichgeschlechtliche Paare können neu eine Ehe eingehen

Gleichgeschlechtliche Paare können ab dem 1. Juli 2022 heiraten und damit eine Ehe begründen und sind diesbezüglich heterosexuellen Paaren vollständig gleichgestellt. Die Begründung einer eingetragenen Partnerschaft, die gleichgeschlechtlichen Paaren bis anhin offenstand, ist nicht mehr möglich.

Gleichgeschlechtliche Paare, die heiraten, unterstehen – wie auch alle anderen Ehen – automatisch dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Erachtet ein gleichgeschlechtliches Ehepaar diesen Güterstand als ungeeignet (z.B., weil sich die beiden Ehegatten als wirtschaftlich und finanziell unabhängig betrachten und für den Fall einer Scheidung keine gegenseitigen güterrechtlichen Ansprüche wünschen), so steht ihnen frei, ehevertraglich eine Gütertrennung zu vereinbaren. Weiter gilt für gleichgeschlechtliche Ehepaare neu eine zweijährige Trennungsfrist, bevor sie sich gegen den Willen eines Ehegatten scheiden lassen können.

2. Gleichgeschlechtliche Paare können ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln

Unter bisherigem Recht eingetragene Partner haben ab 1. Juli 2022 die Möglichkeit, ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln. Hierfür genügt eine gemeinsame Erklärung der Partner gegenüber einem Zivilstandsbeamten eines frei wählbaren Zivilstandskreises. Das Paar muss persönlich erscheinen und aktuelle Dokumente (Identitätsnachweis, ggf. Nachweis der eingetragenen Partnerschaft) vorlegen.

Eine in eine Ehe umgewandelte eingetragene Partnerschaft ist hinsichtlich ihrer Wirkungen so zu behandeln, wie wenn die Ehe bereits zum Zeitpunkt der Eintragung der Partnerschaft bestanden hätte. Das kann sich beispielsweise auf den nachehelichen Unterhalt, den Vorsorgeausgleich oder einen allfälligen Einbürgerungsprozess auswirken.

Güterrechtlich gilt für solche Paare die folgende Regelung: Bis zur Umwandlungserklärung unterstehen sie weiterhin dem Güterstand der Gütertrennung, danach gilt der ordentliche Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Das kann dazu führen, dass bei der Auflösung des Güterstandes durch Scheidung oder Tod doppelt abzurechnen ist. Haben eingetragene Partner einen Vermögensvertrag abgeschlossen, so gilt dieser weiterhin. Auch steht diesen Paaren frei, ehevertraglich eine Gütertrennung oder Errungenschaftsbeteiligung mit Rückwirkung auf den Beginn der Partnerschaft zu vereinbaren.

3. Im Ausland geschlossene Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren

Bis anhin konnten im Ausland gültig geschlossene Ehen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren in der Schweiz nur als eingetragene Partnerschaft registriert werden. Güterrechtlich unterstehen diese der Gütertrennung. Mit Inkrafttreten der neuen Bestimmungen werden künftig alle im Ausland geschlossenen Ehen als Ehen anerkannt, auch diejenigen, die bis anhin lediglich als eingetragene Partnerschaft registriert werden konnten (automatische Umwandlung). Für solche Paare gilt von Gesetzes wegen und ohne eine anderweitige Abmachung die Errungenschaftsbeteiligung rückwirkend ab dem Zeitpunkt der Eheschliessung. Auch in diesen Konstellationen lässt sich der Güterstand mittels Ehevertrag ändern..

4. Adoption für gleichgeschlechtliche Ehepaare

Wer in einer eingetragenen Partnerschaft lebt, darf bereits heute das Kind des Partners oder der Partnerin adoptieren (sog. Stiefkindadoption). Mit der Öffnung der Ehe für alle können gleichgeschlechtliche Ehepaar neu gemeinsam ein Kind adoptieren. Sie werden damit auch in dieser Hinsicht den heterosexuellen Ehepaaren gleichgestellt.

5. Zugang zur Fortpflanzungsmedizin für lesbische verheiratete Paare

Lesbische verheiratete Paare haben ab dem 1. Juli 2022 neu Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Ist die Mutter eines mittels Samenspende gezeugten Kindes im Zeitpunkt der Geburt mit einer Frau verheiratet, so gilt die Ehefrau der Mutter als der andere Elternteil (sog. Co-Mutter). Damit wird die bisher notwendige Stiefkindadoption obsolet.

Jede Person hat in der Schweiz einen Anspruch auf Kenntnis ihrer Abstammung, weshalb anonyme Samenspenden in der Schweiz nach wie vor nicht möglich sind. In Schweizer Samenbanken sind die Namen der Samenspender in einer Datenbank hinterlegt. Eine Anfechtung des Kindesverhältnisses durch die Co-Mutter oder das Kind ist jedoch gesetzlich ausgeschlossen. Ein Samenspender kann also nicht nachträglich gegenüber dem Kind verpflichtet werden.

6. Empfehlung

Wir empfehlen gleichgeschlechtlichen Paaren, die sich mit dem Gedanken tragen, zu heiraten oder ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umzuwandeln, zu prüfen, was dies güterrechtlich für sie bedeutet und ob Handlungsbedarf besteht. Gleiches gilt auch für gleichgeschlechtliche Paare, die ihre Ehe im Ausland abgeschlossen haben. Viele gleichgeschlechtliche Paare möchten trotz der Möglichkeit einer Ehe weiterhin der Gütertrennung unterstehen, wofür der Abschluss eines Ehevertrages erforderlich ist.

 

 


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