20. April 2022

«Architektenhonorar»

Wenn  der Traum vom fer­tiggestellten Eigenheim von unerwarteten oder unerwartet hohen Hono­rarrechnungen des Ar­chitekten überschattet wird, hängt der Haussegen schief. Auseinan­dersetzungen zwischen Bauherren und Archi­tekten über das geschuldete Honorar kommen vor, wären aber oft vermeidbar, denn solche Honorarstreitigkeiten sind nicht selten auf mangelndes Verständnis aufseiten der Bau­herrschaft über die vertragliche Vereinbarung und deren Auswirkungen zurückzuführen.

Architektenvertrag

AGrundlage des Architektenhonorars bildet der Vertrag mit dem Architekten. Der Ar­chitektenvertrag ist aber nicht gesetzlich ge­regelt. Je nach Ausgestaltung und Inhalt un­tersteht er Werkvertrags- oder Auftragsrecht. Weder der eine noch der andere Vertragstyp machen zwingende Vorgaben bezüglich Ho­norarhöhe. Die für die Architektenleistun­gen geschuldete Vergütung bestimmt sich in erster Linie nach der getroffenen Verein­barung. Oft ist jedoch nicht restlos klar, was genau vereinbart wurde.

SIA-Ordnung 102

Viele Architektenverträge bauen auf der SIA-Ordnung 102, «Ordnung für die Leis­tungen und Honorare der Architektinnen und Architekten», auf. Hierbei handelt es sich aber nicht um Gesetzesrecht, sondern um ein vom Schweizerischen Ingenieur- und Ar­chitektenverein herausgegebenes Regelwerk. Als solches ist die SIA-Ordnung 102 nicht ohne weiteres auf jeden Architekturvertrag anwendbar, sondern nur, wenn und soweit die Anwendung der SIA-Ordnung 102 ver­traglich vereinbart wurde.

Die SIA-Ordnung 102 enthält zahlreiche Vertragsbestimmungen zur Bemessung des Honorars, doch auch ein gültiger Einbezug dieses Normengefüges verhilft noch nicht ohne weiteres zur angestrebten Klarheit. Seit einer Intervention der Wettbewerbsbehörde im Jahr 2003 gibt es keine «SIA-Tarife» mehr, und der Bauherr und der Architekt müssen die Honorierung bzw. die notwendigen Berech­nungsfaktoren, wie z.B. den Stundensatz und den Leistungsumfang des Architekten, ver­traglich vereinbaren. Die SIA-Ordnung 102 sieht hierfür drei Honorierungsarten vor: die Vergütung (i) nach effektivem Zeitaufwand des Architekten (Zeittarif), (ii) nach dem Um­fang bzw. den Kosten des Baus (Kosten- oder Volumentarif), oder (iii) als Pauschal- oder Globalhonorar. Entsprechend wichtig ist, die Art der Vergütung klar zu definieren.

Böse Überraschungen vermeiden

Jede der vorerwähnten Varianten hat Vor-und Nachteile, über die sich die Parteien im Klaren sein sollten. So gilt etwa zu bedenken, dass bei vereinbartem Baukostentarif – bei dem sich das Honorar nach einem Prozent­satz anhand der Baukosten berechnet – sich bei einer unvorhergesehenen Verteuerung des Baus auch das Architektenhonorar pro­portional erhöht. Die Überraschung kann diesfalls für den Bauherrn doppelt böse sein: in Form zusätzlicher Kosten für den Bau und für den Architekten. Klarheit ist aber auch im Interesse des Architekten, denn letztlich ist es der Architekt, der das geltend gemach­te Honorar einfordern muss.

Neben dem Honorar sollten auch die Ar­chitektenleistungen und allfällige Vorgaben des Bauherrn (bspw. Termine) im Vertrag festgehalten werden. Dies ist besonders bei Pauschalhonoraren wichtig, da regelmässig nur die Vergütung, nicht aber die Leistungen des Architekten pauschaliert werden. An­dernfalls können trotz vereinbarter Pauscha­le Mehrkosten für Leistungen «ausserhalb der Pauschale» entstehen, was zu Frust und Streitigkeiten führen kann. Generell gilt auch hier, wer Klarheit schafft, muss hinterher weniger Wogen glätten.

 

Marzel Wyden, lic.iur, LL.M. ist Rechtsanwalt bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com . Seine Beratungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der April-Ausgabe 2022 der Zeitschrift „Das Ideale Heim“ publiziert.

 

2022-04-Ausgabe-Nr.-4_Das-Ideale-Heim_Marzel-Wyden_Architektenhonorar.pdf (pdf 90 kB)