«Aktionärbindungsvertrag»
Wer ein Unternehmen besitzt, tut gut daran, seine Nachfolge im Kreise der Familie vorausschauend mit einem Ehevertrag, einem Erbvertrag oder einer letztwilligen Verfügung bzw. einem Testament zu regeln. Wird dieses Unternehme in Form einer juristischen Person (Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung) geführt, so bietet einem der Aktionärbindungsvertrag bei einer AG – oder der Gesellschafterbindungsvertrag bei der GmbH- weitere Möglichkeiten, die Unternehmensnachfolge im Interesse aller Beteiligten zu regeln. Wird eine Aktiengesellschaft mit weiteren Personen gegründet, sollte von Anfang an der Abschluss eines Aktionärbindungsvertrages ins Auge gefasst werden. Das Gleiche gilt auch, wenn bei einer Unternehmensnachfolge nicht nur ein Erbe/eine Erbin Anteile am Unternehmen erhalten wird. Ansonsten bestehen erhebliche Risiken, dass die Führung des Unternehmens im Chaos endet oder sich die Minderheit ohne grossen Schutz dem Willen und den Launen der Mehrheit unterordnen muss.
Eine breite Palette an Regelungsmöglichkeiten
Aktionärbindungsverträge bieten eine breite, fast unerschöpfliche Palette an rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, vor allem mit Blick auf die Regelung der Führung des Unternehmens und des Besitzes von Unternehmensanteilen. Für gewöhnlich sehen diese Verträge Stimmbindungsklauseln vor, die unter anderem die Umsetzung beziehungsweise Einhaltung der miteinander getroffenen Abmachungen sicherstellen sollen. Des Weiteren kann die Organisation und die operative Führung der Gesellschaft geregelt werden, indem beispielsweise Anrechte auf die Einsitznahme im Verwaltungsrat und spezielle Quoten für die Beschlussfassung in diesem Gremium wie aber auch in der Generalversammlung der Aktionär*innen vereinbart werden. Dividendenreglungen wiederum können den Minderheitsaktionär*innen eine gewisse Sicherheit geben, dass sie von der Mehrheit nicht „ausgetrocknet“ werden, d.h. nie irgendwelche Erträge aus ihrer Beteiligung erhalten. Zentral sind dafür Aktionärbindungsverträge zudem die diversen möglichen Verfügungsbeschränkungen, die insbesondere eine Kontrolle über die Verteilung der Aktien und die Zusammensetzung des Aktionariates ermöglichen. So können vorhand- und Vorkaufsrechte den übrigen Aktionär*innen erlauben, die Aktien einer Mitaktionär*in zu erwerben, wenn diese sie veräussern will oder bereits eine Drittkäufer*in gefunden hat. Kaufsrechte und Verkaufsrechte, die meist an den Eintritt gewisse Bedingungen geknüpft werden, erlauben eine weitere Kontrolle über das Aktionariat. Und schliesslich können Mitverkaufspflichten und Mitverkaufsrecht vorsehen, dass eine Minderheit nicht den Verkauf eines Unternehmens torpedieren kann, andererseits diese Minderheit sich aber auch nicht plötzlich einer neuen Mehrheitsaktionär*in gegenübergestellt sieht.
Nur der Massanzug sitzt wirklich
Muster und Vorlagen für Aktionärbindungsverträge lassen sich heute dank des Internets auch für die Nicht-Jurist*in viele und einfach finden. Ein Aktionärbindungsvertrag, der aber nicht auf den individuellen Fall zugeschnitten ist, kann sich im Nachhinein als eine gefährliche Falle herausstellen und mehr Schaden als Gutes anrichten. Dies gilt umso mehr, wenn der Aktionärbindungsvertrag im Zusammenspiel mit Ehe- und Erbverträgen steht. Dann gilt es, die einzelnen Verträge genau aufeinander abzustimmen. Und schliesslich empfiehlt es sich, Aktionärbindungsverträge über die Jahre hinweg immer mal wieder zu hinterfragen und zu prüfen, ob diese noch der aktuellen Situation entsprechen oder auf veränderte Verhältnisse angepasst werden sollten. Denn auch der beste Anwalt oder die beste Anwältin hat wohl nur beschränkte prophetische Fähigkeiten.
Markus Alder, lic. iur, LL.M. ist Rechtsanwalt/Partner bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gesellschafts- und Vertragsrecht, sowie M&A.
Hinweis: Dieser Artikel wurde in der März-Ausgabe 2022 der Zeitschrift «Das Ideale Heim» publiziert.
2022-03-Ausgabe-Nr.-3-Das-Ideale-Heim_Markus-Alder_Aktionärbindungsvertrag.pdf (pdf 1 MB)