«Baumängel – was tun?»
Baumängel sind leider keine Ausnahme. Im Gegenteil, Baumängel treten regelmässig auf. Gemäss einer ETH-Studie aus dem Jahr 2013 werden in der Schweiz pro gebaute Wohneinheit durchschnittlich 15 Baumängel festgestellt. Die Ursachen sind vielfältig: Unsorgfältige Planung, Termin- und Kostendruck, mangelnde Fachkenntnisse, fehlerhafte Materialien etc. Als Bauherr ist es daher wichtig zu wissen, wie bei Baumängeln vorzugehen ist. Diesem Thema sollte schon bei der Vertragsgestaltung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden.
Mängel rechtzeitig und konkret rügen
Ein Mangel liegt vor, wenn das abgelieferte Werk nicht mit dem versprochenen Werk übereinstimmt, also eine Abweichung vom Vereinbarten besteht. Als Mangel in Betracht kommen dabei das Fehlen von vertraglich ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften oder von Eigenschaften, die die Bauherrin nach Treu und Glauben voraussetzen darf, auch ohne explizite Zusicherung.
Viel Zeit bleibt einem nicht: Werden Mängel entdeckt, müssen diese rechtzeitig gerügt werden. Wurde die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart, so sind bei der Abnahme erkennbare Mängel sofort zu rügen. Es empfiehlt sich daher, solche Mängel stets ins Abnahmeprotokoll aufzunehmen (mit Nachfrist für deren Behebung). Nach der Abnahme entdeckte Mängel kann der Bauherr bei Geltung von SIA-Norm 118 dann während zwei Jahren ab Abnahme rügen. Mängel, die erst nach Ablauf dieser zweijährigen Rügefrist entdeckt werden, müssen sofort gerügt werden. Wurde keine Geltung der SIA-Norm 118 vereinbart, muss die Mängelrüge sofort nach der Entdeckung erfolgen. Bei gewöhnlichen Verhältnissen bedeutet dies innert sieben Kalendertagen, wenn nicht anders vereinbart.
Die Mängelrüge muss spezifiziert sein, also angeben, warum bzw. inwiefern das Bauwerk nicht vertragskonform ist. Die Mängel sind möglichst genau zu umschreiben (Art, Umfang und Ort). Zudem sollte die Bauherrin klar zum Ausdruck bringen, dass sie das
Werk nicht als vertragsgemäss anerkennt und den Unternehmer haftbar machen will. Die Mängelrüge sollte schriftlich per Einschreiben erfolgen.
Die Mängelrechte richtig ausüben
Nach fristgerechter Mängelrüge stehen dem Bauherrn drei Mängelrechte zur Verfügung: Nachbesserung, Minderung oder Rücktritt vom Vertrag (sog. Wandelung), gegebenenfalls kombiniert mit Ersatz eines sich aus dem Mangel ergebenden Schadens (sog. Mangelfolgeschaden).
Bei Anwendung der SIA-Norm 118 hat die Bauherrin zunächst einzig das Recht auf Nachbesserung (unentgeltliche Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer). Behebt der Unternehmer die Mängel dann nicht, muss sich der Bauherr entscheiden, ob er einen Minderwert geltend macht oder vom Vertrag zurücktritt. Gilt SIA-Norm 118 nicht, kann die Bauherrin grundsätzlich frei wählen.
Verlangt der Bauherr eine Minderung des Werkpreises, wird der vereinbarte Werklohn im Verhältnis herabgesetzt, in dem der objektive Wert der mangelhaften Leistung zum objektiven Wert der mangelfreien Lieferung steht. Beim Vertragsrücktritt wird der Vertrag aufgehoben und bereits erbrachte Leistungen können zurückgefordert werden. Dies kommt nur in Betracht, wenn die Mängel schwerwiegend sind und die Entfernung des Bauwerkes nicht mit unverhältnismässigen Nachteilen verbunden ist.
All dies gilt allerdings nur, wenn vertraglich nichts anderes vereinbart ist. Vor der Unterzeichnung des Vertrags ist es daher ratsam, sorgfältig zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Wegbedingung der Gewährleistung vorgesehen ist. Bei diesem Verhandlungspunkt lohnt es sich, genau hinzusehen. Die Mängelrechte setzen zudem voraus, dass der Mangel nicht genehmigt wurde (konklu-dent oder ausdrücklich), kein Selbstverschulden der Bauherrin vorliegt und die Ansprüche nicht bereits verjährt sind. Im Zweifelsfall lohnt es sich daher, frühzeitig juristischen Rat zu holen.
Simon Hohler, MLaw, LL.. ist Rechtsanwalt bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com . Er ist auf die Führung von Zivilprozessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten spezialisiert und prozessiert dabei auch im Bau- und Immobilienrecht.
Hinweis: Dieser Artikel wurde in der November/Dezember-Ausgabe 2020 der Zeitschrift „Umbauen+Renovieren“ publiziert
2020-11-Ausgabe-Nr.-6-November-Dezember-Simon-Hohler_Baumängel-was-tun.pdf (pdf 892 kB)