1. November 2020

«Baumängel – was tun?»

Simon M. Hohler

Baumängel sind leider keine Ausnah­me. Im Gegenteil, Baumängel treten regelmässig auf. Gemäss einer ETH-Studie aus dem Jahr 2013 werden in der Schweiz pro gebaute Wohneinheit durch­schnittlich 15 Baumängel festgestellt. Die Ur­sachen sind vielfältig: Unsorgfältige Planung, Termin- und Kostendruck, mangelnde Fach­kenntnisse, fehlerhafte Materialien etc. Als Bauherr ist es daher wichtig zu wissen, wie bei Baumängeln vorzugehen ist. Diesem The­ma sollte schon bei der Vertragsgestaltung ein besonderes Augenmerk geschenkt werden.

Mängel rechtzeitig und konkret rügen

Ein Mangel liegt vor, wenn das abgelieferte Werk nicht mit dem versprochenen Werk übereinstimmt, also eine Abweichung vom Vereinbarten besteht. Als Mangel in Betracht kommen dabei das Fehlen von vertraglich ausdrücklich zugesicherten Eigenschaften oder von Eigenschaften, die die Bauherrin nach Treu und Glauben voraussetzen darf, auch ohne explizite Zusicherung.

Viel Zeit bleibt einem nicht: Werden Män­gel entdeckt, müssen diese rechtzeitig gerügt werden. Wurde die Anwendbarkeit der SIA-Norm 118 vereinbart, so sind bei der Abnah­me erkennbare Mängel sofort zu rügen. Es empfiehlt sich daher, solche Mängel stets ins Abnahmeprotokoll aufzunehmen (mit Nach­frist für deren Behebung). Nach der Abnahme entdeckte Mängel kann der Bauherr bei Gel­tung von SIA-Norm 118 dann während zwei Jahren ab Abnahme rügen. Mängel, die erst nach Ablauf dieser zweijährigen Rügefrist ent­deckt werden, müssen sofort gerügt werden. Wurde keine Geltung der SIA-Norm 118 ver­einbart, muss die Mängelrüge sofort nach der Entdeckung erfolgen. Bei gewöhnlichen Ver­hältnissen bedeutet dies innert sieben Kalen­dertagen, wenn nicht anders vereinbart.

Die Mängelrüge muss spezifiziert sein, also angeben, warum bzw. inwiefern das Bau­werk nicht vertragskonform ist. Die Mängel sind möglichst genau zu umschreiben (Art, Umfang und Ort). Zudem sollte die Bauher­rin klar zum Ausdruck bringen, dass sie das

Werk nicht als vertragsgemäss anerkennt und den Unternehmer haftbar machen will. Die Mängelrüge sollte schriftlich per Einschrei­ben erfolgen.

Die Mängelrechte richtig ausüben

Nach fristgerechter Mängelrüge stehen dem Bauherrn drei Mängelrechte zur Verfügung: Nachbesserung, Minderung oder Rücktritt vom Vertrag (sog. Wandelung), gegebenen­falls kombiniert mit Ersatz eines sich aus dem Mangel ergebenden Schadens (sog. Mangelfolgeschaden).

Bei Anwendung der SIA-Norm 118 hat die Bauherrin zunächst einzig das Recht auf Nach­besserung (unentgeltliche Beseitigung des Mangels durch den Unternehmer). Behebt der Unternehmer die Mängel dann nicht, muss sich der Bauherr entscheiden, ob er einen Min­derwert geltend macht oder vom Vertrag zu­rücktritt. Gilt SIA-Norm 118 nicht, kann die Bauherrin grundsätzlich frei wählen.

Verlangt der Bauherr eine Minderung des Werkpreises, wird der vereinbarte Werklohn im Verhältnis herabgesetzt, in dem der ob­jektive Wert der mangelhaften Leistung zum objektiven Wert der mangelfreien Lieferung steht. Beim Vertragsrücktritt wird der Ver­trag aufgehoben und bereits erbrachte Leis­tungen können zurückgefordert werden. Dies kommt nur in Betracht, wenn die Mängel schwerwiegend sind und die Entfernung des Bauwerkes nicht mit unverhältnismässigen Nachteilen verbunden ist.

All dies gilt allerdings nur, wenn vertrag­lich nichts anderes vereinbart ist. Vor der Un­terzeichnung des Vertrags ist es daher rat­sam, sorgfältig zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Wegbedingung der Gewährleis­tung vorgesehen ist. Bei diesem Verhand­lungspunkt lohnt es sich, genau hinzusehen. Die Mängelrechte setzen zudem voraus, dass der Mangel nicht genehmigt wurde (konklu-dent oder ausdrücklich), kein Selbstverschul­den der Bauherrin vorliegt und die Ansprü­che nicht bereits verjährt sind. Im Zweifelsfall lohnt es sich daher, frühzeitig juristischen Rat zu holen.

 

Simon Hohler, MLaw, LL.. ist Rechtsanwalt bei Thouvenin Rechtsanwälte KLG, Zürich, www.thouvenin.com . Er ist auf die Führung von Zivilprozessen vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten spezialisiert und prozessiert dabei auch im Bau- und Immobilienrecht.

 

Hinweis: Dieser Artikel wurde in der November/Dezember-Ausgabe 2020 der Zeitschrift „Umbauen+Renovieren“ publiziert

 

2020-11-Ausgabe-Nr.-6-November-Dezember-Simon-Hohler_Baumängel-was-tun.pdf (pdf 892 kB)